Eine wahre Horrorgeschichte

In einer Woche ist Halloween und viele von uns freuen sich schon auf das Verkleiden. Schön gruselig soll es sein und wenn es geht andere Leute schocken. Horrorfilme, Geisterbahnen inklusive Grusel-Feiertage, alles nach dem Gusto der Leute. Aber was ist mit den Menschen, deren ganzes Leben aus einem Horror besteht?
Manchmal sind wir in uns selbst gefangen. Tief in uns beherrschen zwei Seiten unser Sein. Die eine Seite, die nach außen hin stark und unnachgiebig sein möchte. Die andere Seite, die sich emotional überfordert fühlt und gerne ausbrechen will. Diese zwei Seiten sind wie die zwei Seiten einer Medaille. Wir ringen mit uns, welche dieser Gesichter wir wirklich akzeptieren wollen. Sind wir Kopf – oder Herzmenschen? Entscheiden wir rational und nach unserem Gewissen oder zeigen wir den Menschen in unserem Umfeld, dass wir nach unserem Herzen leben.
Menschen, die wenige Gefühle zeigen, sind keine schlechten Persönlichkeiten. Sondern sie haben ganz einfach eine persönliche Geschichte. So ging es auch einer Kundin von mir. Ich betreue sie seit 13 Jahren und kenne ihre Geschichte zu gut. Sie zeigt deutlich, was ein Mensch im Leben ertragen muss, um am Ende zu einem Eisklotz zu werden.
Menschen werden nicht ungewollt zu unnahbaren Wesen, sondern oftmals erleben sie unsagbare Geschichten und müssen mit Erfahrungen umgehen, die sich tief in der Seele einbetten. Meine Kundin ist eine solche Person. Sie hat selbst zwei Kinder und Enkelkinder und ist nicht in der Lage, Gefühle zu zeigen oder diese zuzulassen. Für Kinder eine unfassbare Erfahrung, die vor allem die Angst schürt, nicht geliebt zu werden. Die Kundin rief mich vor so vielen Jahren an und berichtete mir, dass sie bemerkt, wie sich ihre mittlerweile erwachsenen Kinder von ihr distanzieren.
Sie beteuerte mir, dass sie ihre Kinder (34 und 32 Jahre alt) abgöttisch liebt, es ihnen aber nicht zeigen könne. Ihre Kinder bewerteten diese Handlungen als Missgunst und fühlten sich weder geliebt noch verstanden. Zusätzlich musst meine Kundin die Vorwürfe ertragen, sich nicht um ihre Enkelkinder zu kümmern. Ihre Kinder warfen ihr Desinteresse vor, denn sie hätte sich weder um ein gemeinsames Wochenende noch um gemeinsame Zeit bemüht. Dabei wäre ausreichend Zeit vorhanden, immerhin ist sie seit 25 Jahren ohne Partner.
Als die Frau, die ich nun seit mehr als 13 Jahren betreute, mir von diesen Vorwürfen und Erlebnissen berichtet, vermutete ich im ersten Moment eine Missbrauchsgeschichte. Doch im Laufe der Gespräche und der Zeit, die wir miteinander verbrachten, kristallisierte sich eine mir unbegreifliche und furchtbare Geschichte heraus. Mir brachte meine Kundin ein enorm großes Vertrauen entgegen, denn sie berichtete mir über die wahrhaft schlimmen Erlebnisse, die sie heute in diese Lage brachten. Es dreht sich alles um ihre Mutter, die mehrfach ungewollt schwanger wurde. Eine Schwangerschaft ist ein wundervolles Erlebnis, jedoch nicht, wenn man die Momente meiner Kundin vor Augen hat.
Wurde ihre Mutter ungewollt schwanger, brachte sie das Kind heimlich zur Welt und ertränkte das Neugeborene in der Badewanne, um es anschließend in einem Holzofen einzuäschern. Mir stockte der Atem, als ich das höre. Eine unnatürlich kalte Gänsehaut schoss mir über den Körper. Ich sah die Verzweiflung in den Augen meiner Kundin. Meine Klientin berichtet mir, dass sie dieses Ereignis mehrfach in ihrer Kindheit mit erleben musste. Sie hatte nicht alle Vergehen live miterleben müssen, doch allein der Gedanke war erschreckend und kaum begreiflich.
Meine Klientin beschrieb, wie sie ihre Kindheit erlebte. Sie sah, dass ihre Mutter schwanger war und wusste, dass auch dieses Leben nicht mehr lange existieren würde. Bei jedem weiteren Wort kämpfte meine Kundin mit ihren aufkeimenden und schon lange versteckten Emotionen. Sie hatte eine dicke Mauer in ihrem Inneren aufgebaut, denn sie wollte die Gefühle nicht ans Tageslicht lassen. Würde sie das tun, wären nicht nur Trauer und Abscheu zu sehen, sondern eben auch Verzweiflung, Angst und Hass. Sehr starke Gefühle, die einen Menschen emotional an die Grenzen treiben können.
Mit belegter Stimme erzählte mir meine Kundin, dass sie jedes Mal miterleben musste, wie ihre Mutter ungewollt schwanger wurde. War das Kind nach der Geburt verschwunden, wusste sie genau, was passiert war. Sie habe bis heute den komischen Geruch, der sich im Haus ausgebreitet hatte, in der Nase. Des Öfteren kann sie ihn in ruhigen Momenten riechen.
Diese Erlebnisse haben tiefe Wunden in der Seele der Frau hinterlassen. Ich empfahl ihr, einen Therapeuten aufzusuchen. Diesen Ratschlag nahm sie dankend an und begab sich in einer Therapie, die ich mit meinem Wissen unterstütze. Bis heute betreuen ihr Therapeut und ich sie gemeinsam. Durch jahrelange Arbeit haben wir es geschafft, Teile der Erfahrung aufzuarbeiten, die Schuldgefühle und die Angst zu benennen und sie zu verringern. Meine Kundin ist heute in der Lage, ihren Kindern Gefühle zu zeigen und auch diese bei ihren Enkelkindern zuzulassen.
Leider konnten die Morde an den zahlreichen Neugeborenen nicht aufgedeckt werden, da die Mutter vor einigen Jahren an Krebs verstarb.

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